Fotografiert von Hendrik Heidler© (Das Auto ist NICHT mit dem im Text identisch!)

Ein Wintermärchen

Geht es tatsächlich nur um Geld?

geschrieben am 23.01.2019 von Hendrik Heidler, Scheibenberg

Schnee, Schnee, Schnee, ein Wintermärchen. Welche Lust heute morgen, bis über die Knie durch den Schnee zu stapfen, durchzuschwitzen, jeden Muskel zu spüren und kein bisschen an Händen und Füßen zu frieren. Dabei eine Märchenwelt um sich zu haben deren Luft von still fallenden Kunstwerken der Schneesterne erfüllt ist. Alles ist eins, es gibt weder Zeit noch Abstand noch Entfremdung von Natur, der eigenen und der da draußen. Diese weiße Schönheit bringt aber auch manch Erstaunliches zum Vorschein, wie folgendes zeigt:

Eine Beobachtung

Scheibenberg ist völlig mit Schnee erfüllt, rechts und links der Straßen weiße Berge, teils zwei, drei Meter hoch. Das Salz schafft es nicht, die Straßen frei zu schmelzen. Als ich mit meinem kleinen Sohn auf dem Schlitten ziehend, um die Ecke schnaufte, sah ich ein stecken gebliebenes Auto. Mit kleiner Schaufel versuchte die mir bekannte Fahrerin den Wagen frei zu kommen. Ich half ihr und schob bis die Räder wieder Halt fanden. Währenddessen fragte ich mich, weshalb sie nicht einmal jetzt die täglichen 200 Meter zum Kindergarten und zurück zu Fuß geht. In schneefreien Zeiten mag das bequem sein, obwohl es nicht einmal dann Zeitgewinn bringt. Aber jetzt? Deshalb sei versucht, die üblichen Argumente etwas anhand einer fiktiven Person näher zu beleuchten, und NICHT die Nachbarin selbst. Das steht mir nicht zu. Deren Handeln steht nur stellvertretend für viele.


Bringt es Zeitgewinn?

Natürlich nicht, abgesehen vom Steckenbleiben auf den wenigen Metern, ist das Auto freizuschaufeln. Alles in allem zusätzlicher Zeitaufwand von sicherlich 20 Minuten.


Spart es Geld?

Ebenfalls nicht? Sprit, Enteiser, Materialverschleiß und womöglich beschädigtes Blech und Farben.


Schutz des Kindes?

Auch nicht. Im Gegenteil, das Unfallrisiko steigt.


Wetterschutz?

Bei viertelstündigem Freischaufeln kann dieses Argument auch nicht gelten?


Bewegungslust?

Weshalb dann überhaupt mit dem Auto fahren? Und im Sommer fällt dieses Argument weg.


Bequemlichkeit?

Kann jetzt im Winter erst recht nicht gelten. Wobei wegen des kurzen Weges dieses Argument nicht einmal im Sommer zieht.
Außerdem laufen die Scheiben meist innen noch an. Also nur Ungemach.


Wärme?

Bis die Kabine durchgewärmt ist, wurde die kurze Strecke längst zweimal zurück gelegt. Im Sommer trifft das umgekehrt für die unerträgliche Hitze zu.


Gewohnheit?

Könnte eine Rolle spielen.


Fahrsucht?

Könnte eine Rolle spielen.


Begegnungsscheu?

Könnte eine Rolle spielen.


Entfremdung zur eigenen Natur?

Wohl einer der tieferen Gründe. Technik als Prothese fehlender Ganzheit. Ist das Mensch-Maschine-Wesen damit längst schon Wirklichkeit? Eigene Kräfte, Sinne und Fähigkeiten sind veräußerlicht, werden über technische Lösungen wahrgenommen und damit verinnerlicht?

Ein wahr gewordener Albtraum. Damit gilt aber nicht einmal mehr der bürgerliche Leitspruch: „Zeit ist Geld“. Vorschlag für einen neuen: „Technik statt ich.“


Hendrik Heidler, 11. Januar 2019

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