Schöpferische Einheit, Eis und Leben – fotografiert von Hendrik Heidler©

Natürlich Staunen ... über den Tod

Kampf oder Tanz?

geschrieben am 25.04.2016 von Hendrik Heidler, Scheibenberg

Im Gegenlicht der Sonne tanzten die glitzernden Schneesterne in wildem Wirbel aus dem Himmelsblau heraus. Gebannt von diesem Wunder krampfte fast mein Nacken, so sehr überdehnte ich ihn. Aber das war mir egal, in diesem Augenblick der Ewigkeit. 

Kämpfen wirklich Winter und Frühling miteinander? Oder ist es ein Tanz der Elemente? Nirgends kann vom sprichwörtlichen Aprilwetter abgelesen werden, was es nun ist. Ich mag die Sicht des Tanzes, des Spieles. Wozu sollten sie auch kämpfen?

Und wie ist es mit dem Sterben der Flocken, die lustvoll sich in ihrer Schönheit entfalten, ganz gleich ob sie kurz darauf zerschmelzen? Sträuben sie sich dagegen, wieder zu Wasser wieder zu werden? Vielleicht ist es deren Lust, den Boden zu tränken, den Durst des drängenden Lebens Frühlingserwachen zu stillen? Wer weiß? Nirgends steht die Wahrheit geschrieben, auch wenn die Physik glaubt, sie mit Löffeln gefressen zu haben.

Es wird so oft vergessen, wie Leben nur aus dem Geschenk des Todes heraus sich immer wieder neu entdecken und erfüllen kann. Erst mit dem Sterben des Vollendeten erwächst neuer Raum für das zu Gebärende. Kein Platz ist für Neues, wenn der Mensch am Untauglichen mit all seiner Schöpferkraft des Lebens festhält. 

Wer sagt denn, dass der Tod dem Leben ein Feind sei?  Wer immer den Tod verweigert, wird ihm umso eher anheimfallen. Und wer sich tötet ohne Neues zu gebären auch. Mit dem Tod tanzen, heißt, sich dem Leben zu öffnen. Die tausend und millionen kleinen Tode, die das Leben zu seiner Lebendigkeit braucht - von denen der körperlichen Zellen bis zur Loslösung von lebensfremden Überzeugungen konstruierter Wissenschaften - ermöglichen erst die Begeisterung, die Lebenslust, die Sinnerfüllung. Es ist der Tanz von Tod und Leben und der unvertraute Spalt, der sich daraus ergibt, der uns da Sein lässt. Verschließen wir diesen Spalt, ersterben wir noch bevor wir körperlich tot in die Grube fahren. Wir sterben aus der Natur, aus der Gesellschaft, aus der Lust, aus der Schöpferkraft, aus der Liebe, wenn wir uns der Unvertrautheit verweigern.

Im Festhalten an der Sicherheit des Vertrauten, liegt die Gewissheit des Verlustes dieser Sicherheit verborgen. Nur im Unvertrauten finden sich die Möglichkeiten des Lebens und des Belebens, die Lust am Sein, die Begeisterung des Heilens, der Gesundheit und des schöpferischen Schaffens.

Im Vertrauten finden sich keine belebenden Lösungen des zu heilenden Leidens. Daraus ist letzteres ja erwachsen. Nur im Unvertrauten finden sich neue Möglichkeiten. Fast bin ich geneigt zu sagen, im Tod liegt das Maximum an Möglichkeiten verborgen.

  • Wenn die Kindheit stirbt, findet sich das Maximum an Möglichkeiten als Jugendlicher.
  • Wenn der Winter stirbt, findet sich das Maximum an Möglichkeiten des erblühenden Lebens.
  • Wenn der Sommer im Herbst stirbt, dann reifen im Winter die neuen Möglichkeiten des kommenden Frühlings heran.

Und wenn wir den Rückzug verweigern, weil wir glauben immer nur frühlingshaft leben zu können, dann stürzen wir in den Winter der Depression, ohne in den Frühling eines neuen Lebenskreises erwachen, geboren werden zu können. Wir ersterben! Wie es nur allzuoft geschieht, wenn wir uns mit allen modernen Mitteln, vom elektrischen Licht bis zu chemischen Antiwandlungsmedikamenten künstlich im Frühlingswachsein festhalten. 

Womöglich ist die Angst vor neuen Erfahrungen im Unvertrauten des Lebens, die Angst vorm Sterben des Alten. Ebenso drückt die übermäßige Angst vorm körperlichen Sterben womöglich auch die Angst vor der Erkenntnis aus, ohne Sinn verlebt zu werden, seine verweigerte Einzigartigkeit nicht zu sehen und zu leben.

Somit stünde die Aufgabe an, sich dem Tod zu stellen, um das eigene Wesen in seiner unbändigen Lust nach Leben anzunehmen, um damit das Leben zu finden und dessen spielerischen Tanz von Sonne und Schnee.

PS:
Die häufig zu verzeichnende Todessehnsucht, wie auch das Verbrauchen von Lebenskraft durch reine Beschäftigungsarbeit, fällt aus dieser Betrachtung heraus, weil diese Wege des Abtötens frei von Sinn(lichkeit) und der Erlaubnis von neuem Leben sind. In Ihnen erschöpft sich nur die andauernde Bannung des Lebens im immer Gleichen der Verwertung für einen unmenschlichen Selbstzweck, der Vermehrung des Geldes.

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