Schnee und Gewohnheit
Sicherheit im Unvertrauten
geschrieben am 08.12.2023 von Hendrik Heidler, Scheibenberg
Schnee und Gewohnheit
Sicherheit im Unvertrauten
Von Hendrik Heidler
Wir haben Schnee, viel Schnee und es ist mir eine himmlische Freude bis zur Hüfte mich erschöpfend durch ihn hindurch zu stapfen. natürlich wünsche ich mir auch, auf den Straßen halbwegs risikoarm voranzukommen, auch, um selbst dabei die träumenden Fichtenriesen mit ihren Schneehauben begeistert zu bestaunen. So gar nicht kann ich verstehen, wenn allein wegen des flutschenden Autoverkehrs dieses weiße Wunder von Anfang an griesgrämig verurteilt wird und es sommers wie winters allein darum geht, alles automatisch funktionierend ablaufen zu lassen. Bei einer solchen Geisteshaltung wird eben jede einzelne Schneeflocke zu einem Ärgernis, obwohl diese Schneesterne doch auch ein solcher atemberaubender Ausdruck der Schöpferkraft der Welt sind – jede Flocke ist einzigartig, genauso wie wir Menschen es sind. Wir sind als Mitglied dieser zauberhaften Welt so einzigartig und schöpferisch veranlagt, dass wir sogar uns diese zauberhafte Schönheit schlecht denken können und sie nicht mehr wahrnehmen. Das kann ich einfach nicht verstehen, auch wenn mir natürlich bewusst ist, wie sehr existenziell wir in unserer momentanen Gesellschaftsform von freien Autofahrten abhängig sein können. Aber mit der Schlussfolgerung, der Schnee sei das Problem und nicht die verkorkste Gesellschaftlichkeit, kann ich nicht mitgehen. Vielmehr sehe ich daraus Fragen erwachsen, weshalb gerät denn das Schöne, Natürliche, Menschliche, Lustvolle, Anregende, Heilsame fast immer wieder in Widerspruch zu den gesellschaftlichen Zwängen der Bedürfnis- und Existenzsicherung. Ja, wie und weshalb konnte es gelingen, unsere Wahrnehmung soweit zu verzerren, dass wir braune Salzschneelauge angenehmer empfinden als märchenhafte Winterwelten? Ich denke, dass sind Fragen die anstehen, um aus der gegenwärtigen Endzeitkrise des jetzigen Systems einen heilsamen Ausweg zu finden. Wohlgemerkt, ich meine NICHT Endzeit der Welt sondern allein dieses unseligen Systems, welches längst überfällig ist zum Begräbnis … aber auch die unbewussten Gewohnheiten, seufz, halten es immer noch an faulendem Leben.
Wie sehr Gewohnheiten inzwischen gefährlicher und risikoreicher werden können, insbesondere auch die, immer auf gewohnten Bahnen zu bleiben, zeigt eine erstaunliche Beobachtung im Schnee gestern Morgen, oben an unserem Scheibenberg. Der Fußweg hoch bzw. runter ist mit vielen Treppen ergänzt, die jetzt natürlich auch völlig verschneit sind und es schon etwas Aufmerksamkeit erfordert, sie zu begehen. Aber es liegt Pulverschnee und die Füße finden dennoch guten Halt, bei ein bisschen Gefühl. Doch bei Begängnis wird der Schnee festgestampft und die Treppen verwandeln sich in einen rutschigen Abhang – aber nicht auf der gesamten Breite der Stufen sondern nur einen schmalen Trampelpfad. Etwa zwei Drittel waren noch von leichtem Pulverschnee bedeckt, so dass hier die Füße den beschriebenen Halt leicht gefunden hätten. Zu meinem Erstaunen war NICHT EIN Fußstapfen darin zu sehen. Dafür aber anhand der Fußabdrücke die Rutschpartien und Zirkeleien, die es erfordert hatte, den ausgetretenen Pfad auf den Treppen überhaupt noch runter zu kommen.
Die Gewohnheiten ausgetretene Pfade zu begehen, kann durchaus erleichtern, doch manchmal sich auch ins Gegenteil und zur Gefahr werden. Das Risiko, unvertraute Wege zu gehen wird dann geringer als im Alten zu verbleiben … sie wie auf den Treppen am Scheibenberg und noch mehr hinsichtlich des gegenwärtig katastrophalen gesellschaftlichen Zustandes.