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Es ist Zeit zu träumen...

Von Susann Heidler

geschrieben am 15.04.2020 von Susann Heidler, Scheibenberg

Es ist Zeit zu träumen...

Nicht erst seit den letzten Wochen fragen Hendrik und ich uns, was können wir tun, um Menschen in diesen Zeiten, in denen Gewohntes, Vertrautes im Zusammenbruch ist und unser Wesen immer weniger in die äußeren Normen passt, sinnvoll zu unterstützen.

Viele Menschen kommen seit längerem zu uns in die Praxis, weil sie spüren, „es geht mir nicht gut, ich bin nicht glücklich, ich fühle mich fremd“ und so weiter. Und nun bricht das Bekannte auseinander und wir alle stehen da, und fragen uns, wie geht’s weiter … und wohin. Da steht ein großes Unbekanntes vor uns, was uns hilflos macht, uns verunsichert, aber uns eben auch Chancen lässt. Nun werdet Ihr vielleicht fragen, welche Chancen sollen in dem gerade erlebten Irrsinn liegen?

Und genau hier sollte unser aller Denken beginnen. Denn was können wir, könnt Ihr, kann jeder Einzelne tun, um wieder eine Perspektive zu finden?

Am Anfang steht der Traum. Nun meine ich nicht die Traumvorstellung der Psychologie, sondern das Träumen vom eigenen Leben, das Wünschen, was immer am Anfang eines jeden Prozesses steht. Auch jedes Projekt beginnt mit einem Traum, jede Geburt ist begleitet von Sehnsüchten und Hoffnungen. Und so kann uns auch jetzt der Weg des Träumens helfen, um mit unseren Ängsten heilsam umzugehen.

Was wünscht Ihr Euch aus tiefstem Herzen? Diese Frage zu stellen, ist der Beginn. Und viele weitere können folgen.

Und ich bin mir sicher, dass es manchem durchaus aufgefallen ist, wenn man das alltägliche „Hamsterrad“ wie jetzt verlassen musste, dass es auch ganz schön ist, wieder Dinge zu genießen, wozu vielen die Zeit sonst fehlt. Auch wenn einen im Nacken die Sorge der finanziellen Existenz nie wirklich loslässt. Und ich bin mir sicher, dass der Eine oder Andere von Euch sich seine Gedanken macht, ob er wirklich so weiter machen will, wie vor der Zwangspause. Und ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, das es einfach irgendwann weiter geht wie bisher. Aber natürlich klammern wir uns daran, weil es das Vertraute, uns Bekannte ist, das gibt Halt, denn so ganz ohne Halt und Sicherheit, nein, das fühlt sich nicht gut an, da kommt die Angst wieder. Aber lassen wir die Angst doch einfach da, wo sie ist. Sie ist ein Teil von uns, und sie darf sich auch zeigen, schließlich wird es ihr Angst um uns, mahnt uns wachsam zu sein, will uns behüten und warnen.
Mir ist sie so oft in letzter Zeit begegnet, die Angst vor der Zukunft, vor Unmenschlichkeit, vor dem wirtschaftlichen Untergang, wegen der hilflosen Entmündigung usw.
Aber hilft mir das jetzt weiter? Leider nein.

Hinschauen, Erkennen und Benennen wie es um uns Menschen bestellt ist, wenn wir uns selbst wegsperren aus Angst vor einem winzigen Virus, das ist wichtig. Aber dann muss ich den Weg der Angst ein wenig verlassen, denn dann beginnt der Weg des Träumens, des Träumen einer Welt, wo Mensch Mensch sein darf, wo er sich gestalten, entfalten und neu erschaffen kann. Denn ich bin mir sicher, Ihr wünscht Euch alle viel lieber Gemeinsamkeit statt Einsamkeit, wirkliche Gesundheit statt Krankheit, Herzlichkeit statt Hetze und leben statt funktionieren. Auch wenn es so Manchem recht schwer fallen mag, sich aufs Träumen einzulassen, denn wir haben es oft verlernt, es wurde uns ausgetrieben, es ist verpönt worden als Spinnerei. Sei es drum, dann beschäftigt Euch damit, sucht Euren Standpunkt dazu, probiert aus.

Versucht Euch zu erinnern, wie Ihr als Kinder geträumt habt. Fragt Euch, was wünscht Ihr Euch. Wie stellt Ihr Euch Euer Leben vor, wenn es niemanden und nichts gibt, der/das Euch nötigt, Euch zu finanzieren?

Der Traum vom eigenen Leben trägt auch in Nebel und Dunkelheit.

Das schwerste ist dabei, dass die eigene innere Zensur nicht alles zunichte macht. Und wenn es schwierig erscheint, den oft eingeschlafenen „Muskel“ des Träumens wieder zu benutzen, dann fangt klein an. Oder Ihr stellt Euch vor, Ihr sollt einen Roman schreiben, über eine Welt, wo es allen Menschen gut geht, wo es keine Verlierer, und ja demzufolge auch keine Gewinner gibt, wo es kein herrschen und zerstören gibt. Was tut Ihr selbst in dem Roman? Wie sieht es dort aus? Was wird gebraucht, was auch nicht? Denkt Euch Fragen dazu aus. Träumt, schreibt auf, malt es oder erzählt es Euch.

Wenn Ihr mögt, schickt es uns, vielleicht gibt es noch andere Menschen, die genau das Gleiche träumen wie Ihr. Manche von Euch, die vielleicht schon mal in unserer Praxis waren, wissen welche Kraft so ein Traum von sich selbst bekommen kann, wenn wir uns darauf bedingungslos einlassen können, und welcher Anker er für uns ist, auch wenn wir absolut keine Ahnung haben, wie wir diesen Traum praktisch gestalten können. Deshalb stellt Euch bitte noch nicht die Frage, wie soll das gehen? Denn erst müssen wir wieder anfangen uns einen Traum zu erlauben, von uns selbst, von unserer Gesellschaft, von der Natur, dem Umfeld, in dem wir leben wollen. Wie wollen wir, dass mit uns umgegangen wird? Wie wollen wir mit anderen Menschen, Tieren, Pflanzen umgehen? Wie wollen wir dereinst sterben und wie sollen unsere Kinder und Kindeskinder leben dürfen und können? Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst darauf verzichten, meine Träume mit Euch zu teilen, gern später, aber zuerst erlaubt es Euch, meine Worte nicht als sinnlose Spinnerei abzutun, auch wenn jeder das Recht dazu hat, sondern sich aufs Träumen einzulassen. Was habt Ihr zu verlieren?

Wirkliches Träumen verfügt über Kraft, erst recht, um so mehr Menschen gemeinsam träumen und um so weiter es über das bisher Bekannte hinaus geht.

Susann aus der Traumzeitpraxis

Scheibenberg, 15. April 2020

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