„Unkraut“ Löwenzahn - fotografiert von Hendrik Heidler

Was hat Luther mit Rasenmäher zu tun?

Eine Gegenstimme im schrillen Jubelgeschrei

geschrieben am 01.06.2017 von Hendrik Heidler, Scheibenberg

Ich sehe zu und kann nicht anders als staunend mir die Augen zu reiben: Luther der Rebell, der Menschenfreund, der Demütige, der Gigant der Reformation usw. Spricht man Lutherverehrer auf seine äußerst zweifelhafte Persönlichkeitsstruktur an, insbesondere betreffs seiner Haltung zu Bauern, Juden, Frauen, Händlern und Zauberern, wird das zwar hinsichtlich seiner Judenhetze (wohl infolge der unleugbaren Judenvernichtung) notgedrungen eingestanden, aber meistens mit dem Hinweis bedacht, dass seine Verdienste das mehr als wett machen würden. Nun gut, auch Hitler wird oft zugute gehalten, er habe ja die Autobahnen gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Abgesehen davon ob Autobahnenen wirklich als positive Errungenschaft betrachtet werden können stellt sich doch die schlichte Frage: Rechtfertigt das wirklich Mord und Totschlag infolge der Hetze ideologischer bzw. politischer Brandstifter? Ist damit auch nur ein Dahingemeuchelter gesühnt? Oder wird auch hier wieder nach der grausamen Devise argumentiert, dass alles sei doch schon längst Geschichte? Aber ist ein lange vergangenes Verbrechen etwa deshalb keins mehr, nur weil es lange zurückliegt? Was ist dass denn für „Logik“! Zur Erinnerung, hier einige Luther-Zitate. Wohlgemerkt, des hochgepriesenen Stammvaters der evangelisch-protestantistischen Kirche und Wegbereiter, der angeblich so segensreichen Moderne. 

 

Zu den Bauern:

Wer einen aufrührerischen Bauern „erwürgen mag, tur recht und wohl. Denn über einen öffentlichen Aufrührerischen ist ein jeglicher Mensch beides, Oberrichter und Scharfrichter. Gleich, als wenn ein Feuer angeht, wer am ersten löschen kann, der ist der beste ... Darum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann ... Gleich, als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss.“

 

Zu den Frauen:

Zu einer Frau in den Wehen sagt Luther: „Gib das Kind her und trage dazu mit aller Macht bei; stzirbst du darüber, so fahre hin, wohl dir, denn du stirbst wesensmäßig im edlen Werk und Gehorsam Gottes.“

 

Und zu Weisen Frauen, als Hexen verleumdet:

„Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen... Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.“

Womit er sich mit einem weiteren, biblischen Stammvater in „guter“ Gesellschaft wieder findet, mit Moses, der gleiches fordert (2. Mose 22:17 „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“).

 

Aber auch diese nachweisliche Hetzereien Luthers werden noch gerechtfertigt, mit dem damaligen Zeitgeist, mit dem Kontext, in dem man es lesen müsse usw. Aber was ist daran zu relativieren oder nicht zu verstehen? Diese Methoden sind bekannt. Auch der Holocaust wird immer wieder mit Befehlsnotstand gerechtfertigt. Nachweislich widerlegbar. Und zu diesem Menschheitsverbrechen trug Luther letztendlich auch geistig bei. Nicht umsonst rechtfertigten sich die Nazigrößen mit Luthers Schrift gegen die Juden. Und nur, weil inzwischen von den evangelischen Kirchen Luthers Judenhetze etwas kritischer betrachtet wird, lässt sich doch dessen grundlegende Auswirkungen auf abendländischer Verbrechen an den Juden nicht mit Hinweis auf sein Alter oder eben seine deftige Redeweise schönreden. Ein solcher Reformator muss doch gewusst haben, wozu Hetze bei seiner Intelligenz und seiner herausragenden Stellung in der Gesellschaft führen kann, ja, muss.

Wenn aber ein Stammvater der Moderne, also von Marktwirtschaft und Demokratie auch dazu beitrug, den protestantischen Arbeitsethos zu installieren - übersetzt: das Funktionieren in Wirtschaft und Freizeit, bei Arbeit und beim Warenkonsum zu einer Lebensweise mit gestaltet zu haben - dem kann durchaus unterstellt werden, all die Leiden, die aus der Moderne erwachsen ebenso hervorgebracht zu haben. Ganz abgesehen von all den herrschaftlichen, kriegerischen und sonstigen Verbrechen, die mit der Durschsetzung der Moderne einhergingen. Gerade das evangelisch-protestantische Christentum offenbart sich als Religion des Kapitalismus, der letztlich selbst als eine Art verweltlichtes Christentum verstanden werden kann. 

Und in diesem Sinne erstaunt es mich nun wieder keineswegs, wenn Luther in dieser verheuchelten Art und Weise mit einem Pomp gefeiert wird, wie es dieses Jahr 2017 geschieht. Nicht einmal Scham zeigt sich, all diese Gelder in die Ehrung eines toten Menschenhassers zu stecken als damit Hungernden, Dürstenden und Flüchtenden zu dienen. Vom barmherzigen Christus keine Spur. Aber auch er schlug die Geldwechsler und Zinswucherer im Tempel Gottes. (Ein früher Hinweis auf den mörderischen Versuch, mittels der Judenvernichtung das schaffende vom raffenden Kapital zu befreien?

Wie können also die guten Seiten Luthers hervorgehoben werden, wenn er als Brandstifter sich längst entlarvt haben sollte? Schöne Kirchenlieder rechtfertigen doch ebensowenig Mord und Mordhetze, wie die Zerstörung eines ebenfalls unmenschlichen Papstums. Selbst nach bürgerlichem Recht würde es als atemberaubend lächerlich erscheinen, wenn ein Mörder sich damit rechtfertigt, dass er dazu aufgerufen habe, Mörder zu erschlagen ... und auch wenn er sich selbst höchstwahrscheinlich seine Hände nicht direkt mit Blut besudelte, erfüllt er auch heute unbedingt noch den Straftatbestand der Volksverhetzung.

PS:

Was aber nun hat Luther mit den Rasenmähern zu tun. Dazu eine häufige Beobachtung, gerade jetzt im Frühling:

Nach dem kalten, winterlichen April erfreuten sich viele an dem sehnsüchtig erwarteten Frühling, mit sonniger und milder Witterung. Aber, oh Wunder, kaum erwachten die ersten, zarten Pflänzchen, brummten bereits die Rasenmäher auch dort, wo es nicht wirklich nötig ist. Technisch bekriegt, werden sie um jeder Chance beraubt, sich in ihrer frühlingshaften Pracht zu zeigen. Kaum ist der Frühling da, wird er maschinell und oft auch chemisch bekämpft. Warum dieser Krieg gegen das erwachende Leben außerhalb der gewollten Gärten? Steckt da vielleicht auch die christlich-abendländische Angst vor der Wildnis, vor den teuflischen Hexen oder gar dem Teufel dahinter? „Unkräuter“ sind ebenso zu vernichten, wie angeblich Unwesen treibende Dämonen ... oder Andersgläubige! Was nun wieder ganz im Sinne des allumfassenden Teufelswahns des ach so auf die „Feste Burg“ Gottes vertrauenden und doch so angstzerfressenden Luthers liegt. Alles was nicht beherrschbar, was sich fremdartig, widerborstig, lustvoll und wildwüchsig zeigt, ist auszurotten, so dachte offenbar Luther und so verwirklicht sich sein Geist heutzutage ganz sachlich, als gehe es nicht anders ... oder doch?
Maiblumen an Bürgesteigen können auch schön und wohnlich wirken ... es braucht nur die Bereitschaft, diese Wahrnehmung einmal zuzulassen ...

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